3 Gänge

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Im Juli 2000 erkundeten meine Geliebte, unsere Söhne und ich in den Sommerferien Scuol und die Umgebung.
Das reifer gewordene Ehepaar bricht im August 2021 auf zu einem erneuten Aufenthalt im Unterengadin.

Eine Praktikantin überprüft in der Rhätischen Bahn unsere digitalen Tickets.
Vor 21 Jahren erkannte ich im damaligen Zugbegleiter, welcher unsere Tickets lochte, den jungen Mann, der im Schweizer Fernsehen über seine Erfahrungen mit Anabolika berichtet hatte.
In dieser Sendung sprach er über seine extremen Stimmungsschwankungen, Fettablagerungen in der Brust und die unangenehmen Effekte an einem intimen Körperteil.
Im realen Leben wirkte der sehr sympathische Kraftsportler kleiner als im Fernseher.

Unser intelligentes Gerät führt uns zu unserer Unterkunft. Danach ist es Zeit für den Apéro, die Rundwanderung Scuol – Sent – Scuol.
Von Weitem leitet der hohe Kirchturm von Sent unsere Schritte. Er ruht inmitten von alten, trutzigen Gebäuden, dekoriert mit fantasievollen Sgraffittos und farbig bemalten Eingangstoren.
Durch die engen Gassen quälen sich moderne Kutschen, ausgestattet mit vielen Pferdestärken.

Den Hauptgang bildet am nächsten Tag das Hochkraxeln auf den Motta Naluns. In engen Kurven überwinden wir durch das Val Clozza 900 Höhenmeter.
Sonne und Regenwolken spielen mehrere Runden “Schere – Stai – Papier”. Wer gewinnt, darf nach Lust und Laune wirken.
Schlussendlich wird es den Regenwolken beim Spielen zu warm, sie dampfen ab.

Wunderbar, teilweise meditativ ist das Wandern auf weichem Boden und rutschigen Steinen.
Riesige Ameisenhaufen säumen den Weg, unzählige Schmetterlinge tanzen.
Die Richtung ist klar, kurze ebene Wegabschnitte überraschen.

Gegen Mittag lassen wir die letzten Bäume hinter uns und erreichen die Bergstation Motta Naluns auf ca. 2100 Meter über dem Meer. Die Wintersportanlagen auf den grünen Alpweiden erscheinen unwirklich, futuristisch, einem alten James Bond-Film entnommen.

Es ist windig und kühl, die Aussicht wärmt das Herz.
Vor 21 Jahren überraschte hier ein kurzer und heftiger Schneesturm unsere Familie.

Damals schenkte mir meine Geliebte in Scuol ein Paar neue Wanderschuhe.
Am nächsten Morgen, meine Lieben schliefen noch, lief ich mein Geschenk in einem Eilmarsch auf den Motta Naluns ein.
Abgekämpft und mit blutenden Fersen erreichte ich mein Ziel.
Die folgenden Familienwanderungen absolvierte ich teilweise rückwärts gehend, um meine wunden Fersen zu schonen.
Es waren eindrückliche und unvergessliche Ferien.

Auf dem Rückweg überraschen wir zwei vor Ftan ein Murmeltier, welches sich im Nu vom Erdboden verschlucken lässt.

Kaltes Quellwasser, sprudelnd aus mächtigen Dorfbrunnen, erfrischt und belebt uns.
Sie umfassen ein Hauptbecken und, je nach Grösse, ein oder mehrere abgetrennte Waschbecken.
Ein Brunnenmeister kontrollierte in früheren Zeiten, so entnehmen wir dem Brunnenreglement in Ftan, wann was in welchem Becken gewaschen wurde.
So sollte auch sichergestellt werden, dass das Vieh sauberes Wasser trinken konnte.

In langen Serpentinen führt der Wanderweg nach Scuol runter. Das Rivella mit Schaum haben wir uns redlich verdient.

Auf der Dessertkarte sticht uns die Rundwanderung Scuol – Tarasp- Avrona – Scuol ins Auge.
Vor Tarasp geht es dem fast überhängend angelegten Golfplatz entlang.
In Avrona führt der Wanderweg über die Terrasse eines fantastisch gelegenen Gasthofs. Zufälle gibt es nicht.
Die Sonne wärmt, einzelne Wolken scheinen den Bergspitzen Schatten zu spenden.
Die Szenerie erinnert mich an Bilder von Ferdinand Hodler, welche im Basler Kunstmuseum zu besichtigen sind.

Der abschliessende Besuch des Bogn Engiadina, das Wellnesszentrum in Scuol, rundet das reiche 3-Gangmenü ab, schenkt Bettschwere.

Allegra, grazia fitg e a revair, nicht erst in 21 Jahren.

22. August 2021



2 Kommentare

  • Lieber Markus
    Grossen Dank für diese lebendige Schilderung zwischen Vergangenheit und Gegenwart, diese zum Schmunzeln anregenden Wortspielereien.
    Habe mich sehr gefreut über deinen Text, las ihn gleich nochmals durch.
    Erinnerungen an unser SIBP-Treffen vom letzten Herbst tauchten sogar auf.

    Eine gefreute Woche wünsche ich dir,
    Lieben Sonntagsgruss
    Beat