Am zweitletzten Septembermontag 2025 lag die Temperatur in der Nordwestschweiz 15 Grad tiefer als 48 Stunden zuvor, es regnete, es war ungemütlich und grau.
Auf und während unserer Sizilien-Reise trafen wir auf Wärme und ausnahmslos auf aufmerksame, zuvorkommende Personen.
30 Minuten vor dem Einstig in das Flugzeug bemerkte meine Geliebte das Fehlen ihrer Uhr. No problema, die junge Dame am Band der Gepäckkontrolle drückte sie mir lächelnd in die Hand.
Beim Verlassen des Flugzeugs in Catania entschlüpfte mein Portemonnaie der Hosentasche. No problema, der Steward drückte es mir lächelnd in die Hand.
Vor dem Flughafen stiegen wir in den Alibus. Die Nacht war heiss, im Bus stickig, der Fahrer liess sich Zeit.
Er informierte uns, dass die Haltestelle Verga der fünfte Stopp sei. Er hielt nicht überall an, die Anzeige im Bus funktionierte nicht.
Benvenuto in Sicilia.
Die Korrespondenz zwischen Google Maps und mir funktionierte nicht wirklich. Durch enge dunkle Gassen tappten wir zwei Rucksackreisende auf der Suche nach unserer Unterkunft in der Via Giuseppe Verdi.
Die Zimmer waren gefühlt drei Meter hoch, der riesige Brausekopf der Dusche an der Decke gefiel uns ausnehmend gut, der laute Verkehrslärm weniger.
Aufgepeppt durch Cappuccino und Espresso peilten wir am nächsten Morgen die Piazza del Duomo an. Google Maps verstand mich immer noch nicht, meine Partnerin mich immer weniger.
Ferien machen will erlernt sein und bedarf der Übung.
Sulla bella Piazza Bellini atmeten wir durch, hörten “ci vorrebbe un miracolo” von Diadoto und wurden erhört.
Geradeaus, dann links. Der Domplatz ist riesig, nicht zu übersehen.
Am Abend vor unserer Rückreise verzauberte uns auf diesem ein junger Mann mit seinem Geigenspiel. Von hier führt die breite Via Etnea am Elefantenbrunnen vorbei schnurgerade über eine Distanz von mehr als drei Kilometern in Richtung des Ätna, Europas grösster Vulkan.
Imposante, riesige Barockgebäude säumen die breite Hauptstrasse Catanias. Am Tag vor unserer Abreise schlenderten wir auf ihr, als ein Unwetter losbrach. In Sekundenschnelle tauchten aus dem Nichts heraus asiatische Männer auf, welche einen Schirm für fünf Euro anboten.
In dieser Region bebt die Erde regelmässig. Aktuell, grazie a Dio, nicht stark.
1693 hingegen fiel Catania einem Erdbeben und danach einem Tsunami zum Opfer. Scheinbar starben ca. 80% der Stadtbevölkerung bei diesen Naturkatastrophen. Wir staunen über den Mut, die Energie, den Trotz, den Willen, die Kraft nach diesen Schicksalsschlägen derart schöne Architektur entstehen zu lassen.
Wer leistete damals die Knochenarbeit?
Per me non é amore auf den ersten Blick. Zu Beginn befremdete mich das eher dunkel wirkende Stadtbild. Viele Gebäude, erbaut mit Lavagstein, ausgespuckt vom Ätna, prägen das Erscheinungsbild der Strassen und Gassen der schwarzen Stadt, wie Catania auch genannt wird. Die helle Fassade des Doms, teilweise mit Marmor versetzt, scheint hingegen zu leuchten.
Kreativ sind etliche Autos parkiert, Abfall erschwert zwischendurch den Durchgang.
Catania lebt, vibriert. Uns beeindruckte das Treiben, die sichtbare Vitalität auf den Plätzen, in den Gassen.
Vor dem Abflug bezogen wir ein Zimmer an der Via Cristofero Colombo, nahe beim Fischmarkt. Eine Gegend, welche nie zur Ruhe zu kommen scheint. Ab vier Uhr morgens werden die Stände lautstark aufgebaut. Nicht weniger lebendig geht es beim direkt anschliesssenden Gemüse- und Früchtemarkt zu.
Um 12 Uhr werden die Marktstände abgebaut, um 13 Uhr nehmen Gastrounternehmen die genau gleichen Flächen in Beschlag, füllen Strasse, Plätze und Gassen mit Tischen und Stühlen, um sie um 3 Uhr morgens wieder verschwinden zu lassen.
Sicher treibt auch der tägliche Kampf ums Überleben sehr viele Personen derart an. Die Arbeitslosigkeit in Sizilien ist ein Problem.
In den letzten 150 Jahren verliessen ca. 2 Millionen SizilianerInnen auf der Suche nach einem besseren Leben ihre Insel.
Eine Erfolgsgeschichte ist hingegen das lokale “Silicon Valley”. Rund um den Ätna haben sich in den letzten Jahren Hightechfirmen angesiedelt, spezialisiert auf die Halbleiter- und Solarbranche.
Schlussendlich empfinden wir Wehmut, der schwarzen Stadt Ciao sagen zu müssen. La canzone “l’anno che verrà” von Lucio Dalla beginnt mit der Zeile “Chi sa? Domani, su che cosa metteremo le mani?”, “Wer weiss, worauf wir morgen unsere Hände legen?”.
Chi sa, ob und wann wir zurückkommen?
5. Oktober 2025
Lieber Markus,
wieder ist es Dir gelungen auf rätselhafte Weise mich zu entführen, so lebendig und farbenreich hast Du mich durch diese schöne Gegend geführt. Ich bin mit Euch über den Markt spaziert, habe mich an dem emsigen Markttreiben gefreut, die vielen Düfte erahnt und mich einfach gefreut von Euch zu hören. Danke dass Ihr mir immer so lieb schreibt, ich
freue mich immer sehr darüber und erlebe einen Teil davon in meiner Phantasie.
Mit lieben Grüssen
Cécile und Raphael
Danke für die schönen Worte waren vor 30 Jahren auch schon in Catania.
Besuchten Letzten Dienstag das Café Wendelin und vermissten dich
LG
Ernst und Monika