Erschöpft und verschwitzt wachte ich heute Morgen auf. Happig war mein geträumter Einsatz in der vergangenen Nacht, sehr unangenehm die Erinnerung.
Die gestrige Presseinformation von Bundesrat Alain Berset, dass alle, welche jemanden zum Impfen überzeugen können, einen Gutschein im Wert von fünfzig Franken erhalten könnten, hatte scheinbar ungeahnte Instinkte in mir geweckt.
In meinem Albtraum entwickelte ich mich zum unerbittlichen Jäger und Sammler.
Zuerst erstellte ich Listen von Personen, welche nicht den 3G-Regeln entsprachen. Jede Person rief ich an, überbot mich im Argumentieren, redete mich heiser.
Nicht einfach war der Frage “wieso hast du dich vom Saulus zum Paulus gewandelt?” standzuhalten.
Mein Hinweis, dass bereits Bertold Brecht in seiner Dreigroschenoper auf die Tatsache, dass das Essen vor der Moral komme, hingewiesen hatte, verfing nicht wirklich.
In Zeitungen und im Internet schaltete ich Such-Inserate. Über jede Antwort führte ich Protokoll, erstellte Listen.
Stundenlang stand ich vor dem COOP und der Migros, belästigte Einkaufende mit der Frage “Sind Sie bereits geimpft?”.
In Erwartung der vielen Bons, welche ich vom Bundesamt für Gesundheit erhalten würde, mietete ich einige Depotfächer bei einer Grossbank.
Um das Geschäft auszuweiten, engagierte ich 3 junge Leute, welche sich in ihren Schulferien auch auf die Pirsch nach ImpfskeptikerInnen begeben konnten.
Tag und Nacht hielt mich meine neue Berufstätigkeit gefangen. Pausenlos mailte, chattete, telefonierte, missionierte ich.
Die Konkurrenz und die landesweite Gier nach den Bons waren gross. Vollster Einsatz war angesagt.
12 Tage lang währte dieser Stress.
Abrupt beendet wurde er durch die Information von Herrn Berset, dass die Kantone seiner fünfzig Franken-Idee eine Absage erteilt hatten.
Aus der Traum!
Im ersten Moment fühlte ich mich als falscher 50er.
Schnell musste ich meine Mitarbeiter entlassen, die Depots kündigen, mich in meinem Bekanntenkreis für mein Vorpreschen entschuldigen.
Das Eintauchen in den erfrischenden und reinigenden Rhein heute Morgen war bitter nötig.
2. Oktober 2021
Dieses leidige Thema so zu bearbeiten finde ich herrlich.
Ich musste herzhaft lachen.
Da waren leider schlechte Berater am Zug mal sehen!
Herzlich
Klara
Lieber Markus
Habe schallend gelacht bei der Lektüre
Vielen Dank für den Gedanken-Push.
Lieben Gruss
Beat