Morgens um sieben Uhr stellten wir uns dem Wind, der Sonne und dem ersten Wandertag auf dem Fischerweg.
In unseren Rucksäcken waren unser vorübergehendes Hab und Gut und die Verpflegung verstaut.
Im Gegensatz zu uns lassen viele Frauen und Männer ihre Koffer täglich per Auto zur nächsten Unterkunft transportieren. Mannes Stolz liess dies nicht zu, Frau hat eine wesentlich andere Auffassung!
Zusammen unterwegs sein ist immer wieder spannend.
Etwa drei Kilometer nach Lagos gelangten wir zum Kap Ponta da Piedade. Der Wanderweg führt auf Holzstegen über die Kalksteinfelsen, welche dem Meer und dem Wind wehrlos ausgesetzt sind, sich im Verlauf von unzähligen Jahren zu wundersamen Gebilden geformt haben. Fantastisch und abwechslungsreich ist der Blick nach links auf das Meer und die steinigen Landzungen. Rechts locken niedriges Buschwerk und verbaute Zivilisation weniger. Ich schliesse immer wieder meine Augen, sauge den Duft der Pinien und Feigenbäume, gewürzt von der Meeresbrise und der Sonne, ein.
Anfangs marschierten wir auf ebenem Terrain, ab der Praia de Porto de Mós ändert sich dies. Steile Ab- und Aufstiege auf sandigem Untergrund und über losem Stock und Stein wechselten sich ab.
Für gesunde Knie alles kein Problem.
Die meisten Wandernden starten im Gegensatz zu uns nördlich an der Westküste, um Lagos zu erreichen. Meine Geliebte absolvierte bereits mehrere dieser Etappen, sie verlaufen mehrheitlich eben und bilden ein ideales Einlaufprogramm für die coupierten Abschnitte der südlichen Algarveküste entlang.
Scherzeshalber nannte ich diesen Trail rota das mulheres, Wanderweg der Frauen. Viele Damen, einzeln und in Gruppen, kamen uns entgegen.
Vor Salema wartete ich nach einem beschwerlichen Aufstieg auf meine Partnerin. Mit verbissenem Gesicht stampfte ein Kampfwanderer aus Genf an mir vorbei, seine tätowierten Oberarme hämmerten unbarmherzig die Wanderstöcke in den Staub. Schaum vor dem Mund hatte er nicht.
20 Minuten später hinkte seine Frau hinterher, ihre Knieschmerzen betäubt sie vor jeder Wanderung mit Schmerztabletten.
Das Wandern ist nicht immer des Müllers Lust.
In Burgau, ein sehr schmuckes Dorf, welches uns mit seinen weissen Hausfassaden und den farbigen Tür- und Fensterrahmen an Griechenland erinnert, klettert der Wanderweg enge Gassen steil hoch.
Dem schönen Strand von Salema konnten wir nicht widerstehen, schalteten dort den ersten Ruhetag ein. Jeden Abend buchte ich online die Übernachtung für den Folgetag, es funktionierte immer.
Am dritten Tag erreichten wir die Hauptstadt des Windes, Sagres. Pausenlos regiert, faucht, bläst, jammert, heult, schluchzt er, spielt sich blähend auf, hält klein, machte uns mürbe. SurferInnen lieben Sagres, von Weitem gleichen sie in ihren Neoprenanzügen Pinguinen, welche auf den Wellen balancieren.
Um 06:30 Uhr verliessen wir am andern Morgen diesen eigenartig zentrumslosen Ort. Der erste Zwischenhalt war in Cabo de São Vicente, der südwestlichste Punkt des europäischen Festlands, geplant. Um 08:15 Uhr waren der Leuchtturm und der mobile Stand, welche die letzte Bratwurst vor Amerika anbietet, noch geschlossen.
Der Wanderweg nach Vila do Bispo führt über riesige Steinhalden. Die grün blaue Markierung verloren wir immer wieder aus den Augen, nicht aber die kunstvoll angelegten Steinmännchen und das benutzte Toilettenpapier in den Büschen.
Vor dem Dorf des Bischofs, das Meer sahen wir nicht mehr, faszinierten mich die unzähligen Schneckenkolonien. Hunderte dieser Kriechtiere hielten sich an Pflanzenstielen und Holzpfosten fest, Weihnachten bei 35 Grad feiernd.
Uns taten die Schafe, Kühe und Ziegen leid, welche in der baumlosen Gegend schutzlos der Sonne ausgesetzt waren.
Endlich endlich erreichten wir dieses Etappenziel.
Nach Vila do Bispo beobachtete ich das zärtlich innige Eintauchen und Verweilen von Hummeln in Pflanzen am Wegrand. Lange Zeit wanderten wir durch eine karge, baumlose Landschaft, von der Hitze und dem Wind geformt und geprägt. In mir kam Sehnsucht nach den satten Jurawäldern auf.
Sonne, Wind, die Auf- und Abstiege auf Ziegenpfaden forderten ihren Tribut. Vor Carrapateira streikte das rechte Knie von Marli. Sehr mühselig entwickelte sich das Schleppen des Gepäcks und des Grippevirus in den letzten drei Stunden dieser Wanderung für sie.
Não dava mais, es ging nicht mehr. Precisava um bom descanso, Pause und Erholung waren angesagt.
2. Juli 2025