Dankbar schwelge ich in den Erinnerungen an den herrlichen Sommermorgen.
Sehr gerne folgte ich der Einladung mit einem Kindergarten und ihren beiden Leiterinnen in die Birsfelder Hard, welche vor 70 Jahren fast einem geplanten Flughafenprojekt zum Opfer fiel, einzutauchen.
Vor einem Jahr durfte ich am frühen Montagmorgen diese Gruppe im Sportunterricht begleiten. Damals erhielt ich als Dankeschön berührende Zeichnungen der Mädchen und Knaben. Ananya malte beispielsweise sie und mich, unter einem Regenbogen stehend.
Für einige Kinder bin ich Herr Strubber, für andere Frau Strub. Nach einer Stunde liess Oezgur meine Hand nicht mehr los und gestand “Ich liebe Sie und ich möchte nicht, dass Sie tot sind”. Sein Kollege Martin ergänzte: “Du siehst aus wie ein alter Opa”.
Nachmittags stand ein Zahnarzttermin an. Im Wartezimmer nahm ich wieder das Buch “Ich hatte nicht immer, was ich wollte, aber alles, was ich brauchte” von Björn Natthiko Lindeblad hervor.
Die Prosa stimmt mich heiter, verströmt Dankbarkeit, Gelassenheit, ist eine Liebeserklärung an die Haltung, nicht alles wissen und kontrollieren zu wollen.
Der schwedische Autor lebte 17 Jahre lang als buddhistischer Mönch in Thailand, Grossbritannien und in Kandersteg im Berner Oberland.
Mit 46 entschied er sich, seine Mönchsrobe abzulegen und nach Schweden zurück zu kehren.
Es folgten 18 Monate Suchen nach seiner neuen Bestimmung, Gefühle des Verlorenseins, unendlich anmutende depressive Phasen.
In sehr kleinen Schritten gelang es Björn diesem dunklen Kreislauf zu entweichen. Er lernte Elisabeth kennen, begann Meditationsworkshops zu leiten und Vorträge über seine Vergangenheit zu halten.
Mit 57 erhielt er die Diagnose an ALS, Amyotrophe Lateralsklerose, erkrankt zu sein. Seine Ärztin prognostizierte, dass er noch 1 bis 2 Jahre leben werde.
18 Monate nach dem erhaltenen Todesurteil schrieb Natthiko, thailändisch für “der an Weisheit gewinnt”, sein Buch, welches in Schweden sofort enorme Beachtung gewann. Schwedische Fernsehsender baten ihn in der Folge um ein Interview.
Ein solches mit Jenny Strömstedt ist mit englischen Untertiteln versehen und auf YouTube einsehbar. In diesem Video wird Natthiko, gepflegt und schlank, im Rollstuhl in ein Hotelzimmer gestossen, wo er im einbeinigen Schneidersitz hoch konzentriert den Fragen seiner Gesprächspartnerin lauscht, lächelnd und mit sehr wachem Sinn antwortet.
Eine Standardfrage an ihn lautete jeweils “Welche ist für Sie die wichtigste Lehre aus den 17 Jahren als buddhistischer Mönch?”
“Am allermeisten schätzte ich an dem täglichen spirituellen Training, dass ich nicht mehr an alles glaube, was ich denke” lautete seine Standardantwort.
Liebevoll und zärtlich muntert er in seinem Buch dazu auf gelassener und vertrauensvoll den Moment zu leben, regelmässig inne zu halten, die Stille zu suchen.
“Wir lernen bei Windstille, um uns im Sturm daran zu erinnern” war seine feste Überzeugung.
Kurz nach seinem 60. Geburtstag verstarb Björn Natthiko Lindeblad
30. Juni 2024
Lieber Markus
Ein ergreifender Text von dir, danke.
Habe ihn gern gelesen.
Lieben Gruss
Beat