Arca de Noé

A

Seit vorgestern Abend wähne ich mich auf der Arche Noah, welche dem stetig fallenden Nass trotzt.
Gestern Morgen um 3 Uhr grollte und donnerte es unheimlich, Blitze tanzten wild, bevor alle Himmelsschleusen brachen und der Regen sich noch wilder über Joaçaba zu ergiessen begann.

Wie etliches Andere erscheint mir no Brasil auch der Regen intensiver, unberechenbarer, explosiver, lauter, stürmischer.
Ich bin froh, dass das Haus meiner Schwiegermutter solide gebaut ist und kaum wegschwimmen wird.
Die Abendnachrichten präsentieren regelmässig Bilder von Fahrzeugen und Hausteilen, welche in Regenfluten talwärts tanzen.

Die Wetterumstürze können abrupt erfolgen.
Als wir 1988 am ersten Samstag im Juli in Curitiba landeten, präsentierte der brasilianische Winter sich mit 23 Grad angenehm mild.

Am folgenden Dienstag, wir kamen in Joaçaba an, zeigte das Thermometer sechs Grad an.
Ich erinnere mich nicht, in meinem Leben jemals mehr gefroren zu haben.
Die feuchte Kälte schien sich tief in meinem Körper einzunisten und dort langsam zu gefrieren.
Im Haus trugen wir Pullover und Winterjacken, hielten uns mit Vorliebe vor dem Holzofen in der Küche auf, eine Heizung gab und und gibt es bei meiner Schwiegermutter nicht.
Am Freitag taute uns die Sonne bei 25 Grad wieder auf.

São Joaquim, etwa 250 Kilometer von Joaçaba entfernt, ist jeweils zwischen Juni bis September das Mekka brasilianischer TouristInnen, welche Frost fühlen und Schneebälle werfen wollen.
Jetzt fangen in diesem Ort, er liegt auf ca. 1300 Metern über dem Meer, rund 1000 Fazenderos mit der Apfelernte an.
Nada de Praia e Samba, é um outro Brasil.

1999 reisten wir nach der Bootsfahrt im Pantanal von Campo Grande nach Bonito.
Unterwegs kündigte mir unser älterer Sohn, er war damals 8 Jahre alt, kurz die Freundschaft.
Unser Fahrer musste anhalten, weil eine Jacaré-Mutter mit ihrem Nachwuchs, wir zählten 23 kleine Alligatoren, über die Strasse kroch.
Ein Junges hielt sie in der geöffneten Schnauze.

Im letzten Moment riss ich unseren Sohn, welcher ein Alligatoren-Junges in den Arm nehmen wollte, zurück.
Die Jacaré-Mutter hatte uns, so habe ich es in Erinnerung, bereits missmutig ins Visier genommen.

Bonito, hübsch auf deutsch, macht seinem Namen alle Ehre. Ökotourismus wird hier gross geschrieben.
Die Region von Bonito ist berühmt für die kleinen Flüsse mit kristallklarem Wasser.
Die Fotos und Videodokumentationen im Internet lügen nicht.

Wir parkten unser Fahrzeug auf dem Parkplatz einer riesigen Fazenda, wanderten schwitzend durch ein Stück Wald, in welchem Papageien und Affen sich ein Stelldichein gaben, zur Quelle eines Flüsschens.

Dort erhielten wir einen Taucheranzug, Flossen, eine Tauchbrille und einen Schnorchel. Unser Guide bat uns mit unseren Flossen auf keinen Fall den Grund zu berühren, damit das Wasser nicht getrübt werde.

Wir wähnten uns in einem Aquarium.
Viele Fische liessen sich bewundern, als wir mit sparsamen Bewegungen uns von der Quelle weg bewegten.
Von den Riesenschlangen, welche im Schilf des Uferrands lebten, erfuhren wir, nachdem wir unsere eindrückliche Schnorchel-Tour beendet hatten.

Am gleichen Abend schlug das Wetter schlagartig um, eine giftige Bise verscheuchte die Hitze, liess uns die nächsten 24 Stunden frösteln.
No problema, passou bem.

Joaçaba, 26. März 2022

1 Kommentar

  • Lieber Markus
    Absolut spannend, deine lebhaften Erzählungen, ich friere mit dir mit.
    Bin gerade in Bern am hep-Begegnungstag und die Sonne scheint bei 9 Grad.
    Lieben Gruss
    Beat