Es ist 06:15 Uhr und heiss.
Bepackt wie ein Legionär, mit schwerem Herzen, marschiert Mann mit seiner Geliebten auf der Via Appia zur stillgelegten Bahnstation, von wo aus ein Bus sie zum Bahnhof Priverno fahren wird.
Der Abschied von Terracina fällt schwer.
Goldig und leicht waren die letzten 10 Tage in dieser Stadt am Tyrrhenischen Meer, gelegen zwischen Rom und Neapel.
Das Ehepaar wohnte in einem kleinen Studio in einer engen Altstadtgasse mit einem nicht grossen Fenster, welches einen freien Blick auf das Meer und einige der Pontinischen Inseln ermöglichte.
Jeden Tag präsentierte das klare Salzwasser sich in neuen Farbnuancen.
Bei Vollmond glich die Meeresoberfläche einer beleuchteten Start- und Landepiste für UFO’s.
Nach 16 Uhr schienen alle Wassertropfen vor dem nahen Monte Circeo in LED-Lämpchen transformiert zu sein, welche abwechslungsweise leuchteten und dann wieder erloschen.
Das Paar genoss das Sein am kleinen Küchentisch vor dem geöffneten Fenster.
Wie selbstverständlich laden an allen Ecken und Kanten in der Altstadt von Terracina römische Monumente, Ausgrabungen zum Staunen ein.
Meine Begeisterung bestärkte in meiner Geliebten die Annahme, dass, falls die Reinkarnation eine Tatsache ist, ich in einem früheren Leben ein Legionär, Mosaikgestalter oder Kaiser im römischen Reich hätte gewesen sein können.
Oberhalb von Terracina windet sich die Strasse auf den Monte Sant’Angelo, wo die Reste des römischen Tempels Jupiter Anxur zu bewundern sind.
Bei der kurzen Wanderung in die Höhe atme ich durch die Nase ein und aus. So vermeide ich den Ausstoss von einem Schwall warmer Luft, welche die trockene und dürre Vegetation im dümmsten Fall in Brand setzen könnte.
Eine Schlange sonnt sich an der Wand eines verlassenen Steinhäuschens, scheint bereits angeklebt zu sein.
Der Ausdruck “das ist nicht möglich” existierte, so interpretiere ich die Eindrücke unseres Ausflugs, bei den alten Römern nicht.
Vor 2000 Jahren gruben sie auf dem Bergplateau eine 60 Meter lange Säulenhalle in das Gestein. Das Plateau selber zierten eine grosse und eine kleine Tempelanlage sowie eine ein Kilometer lange Mauer, versehen mit Wachtürmen.
Der Ausblick auf die Küste des Latiums ist Atem beraubend, die Zeugnisse der vergangenen Kultur sind interessant, ich halte sie sorgsam in meinem Innern und auf dem kleinen intelligenten Gerät fest.
Um von der Altstadt an den 4 Kilometer langen Strand zu gelangen, schreiten wir auf Treppenstufen, angelegt im ehemaligen Kardinalspalast, in das moderne Terracina runter. Heute wohnen in diesem riesigen Gebäude Menschen aus Bangladesch, Indien und Pakistan, welche beispielsweise am Strand Hüte und Schmuck verkaufen.
Uns wurde empfohlen nachts diese Treppe nicht zu nutzen.
Trottoirs sind Mangelware und sehr eng. So teilen wir uns die ebenfalls engen Strassen mit Autos und Motorrädern.
Am Strand hat man die Qual der Wahl. Jedes der zahlreichen Lidos vermietet Plätze unter Sonnenschirmen, jedes Lido hat seine eigene Sonnenschirmfarbe, unterschiedliche Mietpreise, sein eigenes Unterhaltungsangebot.
Wir bezahlen zwischen 18 bis 27 Euro um tagsüber im Schutz vor der sengenden Sonne auf einem Liegestuhl oder einem Strandstuhl dem Nichtstun zu frönen.
Gesprächen entnehme ich, dass viele Personen aus Rom und Neapel jedes Jahr von Mitte Mai bis Mitte September den gleichen Sonnenschirm mieten und dafür 1200 Euro zahlen.
Es gibt auch etliche spiaggie, gratuite e libere per tutto il mondo.
Der Strand von Terracina wirkt auf uns herrlich unaufgeregt, sympathisch einfach, sauber, sehr fest in italienischer Hand. Nonne e nonni bauen mit ihren Enkelkindern Sandburgen, spielen im Wasser, fanno molta conversazione, mit und ohne Hände.
Deutsch hören wir nie, einzelne skandinavische Gäste fallen mit ihrer Blässe auf.
Jeden Tag geniesse ich wieder und wieder das kristallklare Wasser, tauche, schwimme, spiele mit und in den kleinen Wellen.
Meine Partnerin hält es für möglich, dass, falls die Reinkarnation eine Tatsache ist, ich früher beispielsweise ein Delphin, ein Blauwal oder eine Sardine hätte gewesen sein können.
Lucio Dalla sang es richtig: “La vita é bella, é bello cantarla”. Ich mag mein aktuelles Leben.
Grazie.
20. Juli 2022
Lieber Markus
Ein wunderschöner Text.
Er spricht mich als Althistoriker total an.
Die Römer hatten eben noch Sklaven, welche ihnen die wunderschönen Tempel an jedem erdenklichen Ort erstellten.
Als Reinkarnation kann ich mir bei dir auch Minnesänger oder Poet vorstellen 😉
Lieben Campergruss
Beat
Lieber Markus,
Wieder bin ich mit Euch durch die engen Gassen spaziert habe das Meer rauschen gehört und den wunderschönen Strand bestaunt. Wieder hat Du mich teil haben lassen an den einzigartigen Erlebnissen. Ein grosses Dankeschön!
Uebrigens glaube ich an eine Reinkernation,aber immer wieder als Mensch, also keine Sardine.
Liebe Grüsse
Cécile
Wie schön, besonders gefällt mir die Sardine:))