Sonne lockt den Mann aufs Fahrrad und in die Stadt. Im Buchladen bedient eine junge Frau mit einer Gesichtshaube, gefertigt aus Plexiglas. Sie wirkt wie eine auf das Entschärfen von Bomben spezialisierte Person.
Kauflustige drängeln vor und in den Kaufhäusern, bevölkern die Innenstadt. Seit kurzem ist es wieder erlaubt shoppen zu gehen.
Vermummte Polizisten versuchen auf dem Marktplatz erfolglos eine Mahnwache von Personen gegen das verordnete Notrecht der Landesregierung, welches beispielsweise das Bilden von Gruppen verbietet, aufzulösen. Die Protestierenden halten stumm Plakate in die Luft, summen leise Volkslieder. Das lokale Fernsehen und eine junge Polizeibeamtin filmen fleissig die Stehenden und Sitzenden. Auch Mann wird, bevor er sich von dannen bewegt, bildlich verewigt. Er sucht seinen Weg zwischen den Ordnungskräften, breitbeinig platziert, die Arme vor der oft breiten Brust verschränkt, oft grimmig dreinschauend. Interessant wäre es in diesem Moment Gedanken lesen zu können.
Auf dem gepflasterten Platz vor der grössten Kirche der Stadt stehen sechs Kastenwagen, bereit Uniformierte und eventuell spontan Eingeladene aufzunehmen.
Abends verkünden die Medien, dass 46 Personen wegen Widerhandlung gegen die Covid-Verordnungen verzeigt wurden.
Von seinem demokratischen Recht Gebrauch machend, mailt der Schreibende der Landesregierung eine höflich formulierte Mail mit drei Fragen. Zur allgemeinen Information beglückt er die Parlamentarier/innen, welche seinen Kanton im nationalen Parlament vertreten, ebenfalls mit dieser Mail. Anrecht auf eine Antwort hat er nicht, freuen würde ihn dies sehr.
17. Mai 2020