Das Fest geht weiter

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Der siebzigjährige Bräutigam lässt es schneien.
Zwei Wochen lang schmückte er sich im weissen Hochzeitsgewand, lud grosszügig gelbe und rote Tulpen, Traubenhyazinthen und Löwenzahn zum Fest ein.
Im vergangenen Winter wurden ihm Äste amputiert. Krank, verletzt sah er nach der Operation aus, ausgeführt ohne Narkose.
Dies hindert ihn nicht daran, sich erneut heraus zu putzen, seine Lust aufs Leben eindrucksvoll zu präsentieren.

Schüchterner Sonnenschein schenkte der bunten Hochzeitsgesellschaft, sie erhielt jeden Tag Zuwachs, die Energie, im Takt der Frühlingsbrise und des Gesangs der Vogelschar zu tanzen. Regengüsse sorgten für Speis und Trank.
Insekten besuchten fliegend und krabbelnd die Blüten, kitzelten, saugten, wurden reich beschenkt.
Katzen hörten, schauten sehnsuchtsvoll dem Treiben zu.

Jedes Fest hat einen Anfang und ein Ende.
Der warme Wind, aufgestiegen über Nordafrika, befreite den wackeren Kirschbaum in den letzten Tagen von seinem Blütenkleid, bereitete ihn sanft auf seinen Alltag in den kommenden sieben Monaten vor.

Etliche ermattete Tulpen stehen immer noch aufrecht, saugen bis zur letzten verbleibenden Blüte das Tageslicht auf und ein.
Der Löwenzahn hat sich umgezogen und ist bereit zum Flug.

Das sichtbare Bedürfnis der Natur am Wachsen, am Gedeihen, das Selbstverständnis Leben zu schenken, dieses zu feiern, verzaubern Frau und Mann.

Vorgestern lud der Apfelbaum in Nachbars Garten zu seinem hohen Fest ein.

7. April 2024

2 Kommentare

  • Lieber Maekus, Deine Gedichte sind so zauberhaft. Sie entführen mich immer in eine schõne und liebliche Welt. Wenn Du Deine Gedichte einmal heraus gibst, was ich sehr hoffe , bin ich die Erste; die den Gedichtband kaufen wird.
    Herzlich Cécile