Alentejo

A

Schliesse ich meine Augen und flüstere langsam A LEN TE CHO, fühle ich Wärme und Sehnsucht nach diesem wunderbaren, bedrohten Naturjuwel in mir hoch steigen.

In dieser Region, gelegen zwischen der Metropolregion Lissabon, der Algarve im Süden, dem Atlantik im Westen und Spanien im Osten leben lediglich 700’000 Menschen auf zwei Drittel der Schweizer Landfläche.
Halte ich meine Augen geschlossen, sehe ich uns im Taxi durch menschenleere Gegenden fahren. Fatima, eine selbstbewusste, resolute Frau, fuhr uns von Zambujeira do Mar nach Vimieiro.
Kork- und Steineichen in losem Abstand säumen den Strassenasphalt. Viele Korkeichen scheinen Pluderhosen zu tragen. Der untere Teil ihres Stamms wurde geschält, mit der gewonnenen Rinde wird Kork hergestellt. Auf den ausgedünnten Stammbeinen sind Ziffern in weisser Farbe aufgemalt.
Die Zahl 2 bedeutet, der Stamm wurde 2022 geschält und darf frühestens 2031 wieder bearbeitet werden. Korkeichen können über 500 Jahre alt werden, die ersten 25 Jahre müssen sie keine Äxte befürchten, welche sich in ihre Rinde krallen. Ich mag diese knorrigen Bäume mit ihrem mächtigen Astwerk.

In Zambujeira do Mar nahm Marli sich die Zeit, den Grippeviren langsam Adieu zu sagen. Während sie ruhte, erkundete ich die kleine Ortschaft, welche oberhalb einer idyllischen Bucht angelegt wurde. Nach 10 Minuten glaubte ich mich auszukennen.
An eine weisse Mauer gelehnt beobachteten wir das Aufprallen des Atlantiks an den Riffs, den Flug der Möwen, die spektakulären Sonnenuntergänge.
Santorini no Portugal, sehr entspannt, frei von Menschenmassen, genial schön.

Der portugiesische Nationalfeiertag fiel auf Dienstag, den 10. Juni. Zu Ehren des Vaterlands fand in unserem Ferienort ein Sportanlass statt.
Es galt zu Fuss, mit dem Fahrrad oder auf Rollschuhen mindestens 20 Kilometer zurückzulegen. Alle 15 Minuten näherte sich ein/e Athlet/in dem Ziel, empfangen von einem Polizisten auf einem Motorrad, welcher laut hupte und lautstark anfeuerte.

Ich spazierte zu einem Aussichtspunkt ausserhalb des Dorfs, traf dort auf zwei Männer aus einem asiatischen Staat, welche no dia do Portugal scheinbar nicht arbeiten mussten und mir für mein Empfinden zu nahe kamen.
Am Tag zuvor, es war heiss, schrieb ich abends in meinem Tagebuch, als eine Gruppe Marsmenschen aus einem Bus ausstieg.
Sie trugen riesige Schlapphüte, feste Handschuhe, solide Schuhe, weite Hosen, Hemden mit langen Ärmeln, einen schwarzen Gesichtsschutz mit einem schmalen Sehschlitz, schützten sich so vor der Sonne und den Pestiziden beim Arbeitseinsatz auf einer Plantage, wo Oliven oder Mandeln angepflanzt werden.
Vor der Bar, in welcher ich sass, zogen sie ihren Gesichtsschutz ab. Ausgelaugt, erschöpft wirkten die Gesichter der Frauen und Männer aus Pakistan, Indien, Bangladesch oder Nepal.

Weite Teile des Alentejo sind bedroht durch Trockenheit und Dürre, durch die Ausbreitung riesiger Monokulturen, welche vom grössten Stausee Europas gespiesen werden. Der Alqueva-Stausee ist 85 Kilometer lang, seine Oberfläche ist sieben Mal grösser als der Kanton Basel-Stadt.
Der Nutzen des gigantischen Bauwerks ist in Portugal sehr umstritten. Kritisiert wird, dass hauptsächlich die riesigen Monokulturen Wasser erhalten, die einheimische Bevölkerung zu kurz kommt.

Der Koalabär, die Papierindustrie und das Feuer mögen den Eukalyptusbaum. Portugal forstete riesige Flächen mit dieser schnell wachsenden Baumart auf. Er beherbergt ätherische Öle, die sich entzünden und als Brandbeschleuniger wirken können.
Jedes Jahr wüten im Alentejo Feuersbrünste. Sehr traurig ist der Anblick der verkohlten Baumleichen.

Ich schätze mich privilegiert und glücklich, in Vimieiro Juuna und Bernd kennen lernen zu dürfen, welche mit Überzeugung, Visionen und Tatkraft beweisen, dass der Mangel an Wasser kein Naturgesetz im Alentejo ist.

Im Winter regnet es im Süden Portugals in der Regel ausreichend, um die Bevölkerung und die Landwirtschaft das ganze Jahr hindurch mit Wasser zu versorgen. Das Problem ist, dass das fallende Nass mehrheitlich nicht in erodierte Böden einsickern kann, ungenutzt weggeschwemmt wird.
Bernd, ein sehr erfahrener Experte für Wasserretention (Rückhalt von Wasser), arbeitete weltweit mit an Projekten, welche das Ziel hatten, das Regenwasser vor Ort zu nutzen. Sehr eindrücklich und im Internet gut dokumentiert ist das Projekt im Ökodorf Tamera im Alentejo. Unter der Leitung von ihm und Sepp Holzer, der österreichische Permakultur-Spezialist, wurden miteinander verbundene Rückhaltbecken in unterschiedlicher Grösse geschaffen, welche es ermöglichten, dass das Regenwasser langsam in den Boden einsickern, sich dort verteilen und zur Bildung von unterirdischen Quellen beitragen kann, welche auch die Bildung einer Humusschicht positiv beeinflussen.

Die Aufnahmen von Tamera vor den Eingriffen und danach überwältigen mich jedes Mal, wenn ich sie anschaue.


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