Dresden und Prag

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Das Ehepaar ist in der sehr privilegierten Situation Ferienzeit und offene Reisetage im Interrail-Pass zu haben.

An einem feuchten Julimorgen steigen die Reisenden nach 8:23 Uhr in Basel in den Zug, um neun Stunden später den lichten und schönen Dresdener Bahnhof zu verlassen.

Die Reise verlängert sich, da in Freiburg der Zug einen unerwarteten Halt einlegen muss. Die verpasste Anschlussmöglichkeit bietet die Chance, im Regen die barocke Altstadt von Fulda zu erkunden.
Abends spült uns der Regen in eine Pizzeria in der Dresdener Altstadt, wo wir an einem schmalen Tischchen einen der scheinbar begehrten Plätze erhalten.

Am nächsten Morgen staunen wir über die barocke Baulust des sächsischen Königs August der Starke. Er dachte wahrlich nicht klein. Touristen aus aller Welt bewundern unter anderem den riesigen Zwinger, die berühmte Semper-Oper.

Auf der anderen Seite der Elbe erstreckt sich die Neustadt. Kommunistische Architektur prägt die Hauptstrasse, welche sich breit und schnurgerade dem Albert-Platz nähert. Dort breitet sich das junge, frische Dresden aus. Mann und Frau haben Freude am farbigen Szene-Viertel.

Das vegane Restaurant „der falsche Hase“ hat geschlossen, wir geniessen das Essen und die Rast im Lokal Leonardo. Die hausgemachte Melonen-Limonade ist köstlich

Spontan entschliessen wir uns, die Ausstellung „Terrakotta-Armee“ im Gebäudekomplex Zeitenströmung an der Königsbrückerstrasse 96 anzuschauen. Die Königsbrückerstrasse ist lang, sehr lang, extrem in die Länge gezogen. Der Gebäudekomplex Zeitenströmung ist Teil der früheren Stallungen der Sächsischen Artillerie, welche scheinbar einen riesigen Raumbedarf hatte.

Wir gönnen abends unseren Füssen nach den 24 Kilometern auf Asphalt in einem Restaurant nahe der Frauenkirche eine Auszeit und Erholung.
Die Vorstellung, dass vor 72 Jahren diese Stadt nach den absolut verheerenden Bombardements durch die Allierten in Schutt und Asche lag, übersteigt unsere Fantasie. 12 Jahre dauerte ab 1993 alleine die Wiederauferstehung der wunderbaren Frauenkirche. Noch heute wird jedem Bruttolohn in Deutschland ein Solidaritätszuschlag Ostdeutschland abgezogen, mit welchem Investitionen in den neuen Bundesländern finanziert werden.

Am nächsten Morgen setzen wir die Reise fort. Die Zugfahrt von Dresden nach Prag dauert etwas mehr als zwei Stunden. Mann liebt den Streckenabschnitt zwischen Dresden und Bad Schandau, wo der Zug der Elbe entlang sich schlängelt.

Der Prager Hauptbahnhof ist verwirrend gross. Im zweiten Anlauf findet das Ehepaar den Weg zur Tramhaltestelle. Die Linie 9 führt die Reisenden zur Station Ujezd. Das gesuchte Hotel, Domizil für 3 Nächte, befindet sich um die Ecke.

Bald reihen sich Frau und Mann in die Touristenmasse ein, welche die Prager Burg und die Karlsbrücke kennen lernen möchte. Die Strasse zur riesigen Schlossanlage und zum mächtigen Veitsdom steigt lang und steil an. Die Sonne brennt. Die sechshundertjährige Karlsbrücke trägt geduldig Reisende, Malende, Musizierende. Frauen und Männer knien und erbeten Geldalmosen.

Bald merkt das Paar, dass Bier billiger ist als Wasser.

Am zweiten Tag ist zuerst Sightseeing by Tram angesagt. Die Linien 12 und 20 passieren farbige Stationen, eine moderne und sehr elegante Brücke. Eine Endstation befindet sich bei einem von Grund auf geplanten Vorort. Hochhäuser sind wie Barrieren aufgereiht.

Die Prager Innerstadt ist wunderbar saniert. Seit dem Zusammenbruch des brutalen kommunistischen Regimes muss auch hier sehr viel Renovationsarbeit geleistet worden sein. Menschenmassen drängen auf Plätzen, in den Gassen. Das Mucha-Museum lockt an.

Triathlet/innen quälen sich in der Hitze über eine Brücke. An jeder Ecke gibt es etwas zu entdecken, der Tag vergeht im Flug. In einem rustikalen Biergarten wachsen Auberginen und Tomaten vom Wind geschützt an einer alten Mauer.

Um Hitze und Touristenscharen ein wenig auszuweichen, bricht das Paar am nächsten Morgen früh auf. Es wandert auf den Ládví, den Prager Hausberg. Ein Eichhörnchen begrüsst das Paar beim Aufstieg durch den Park, der einem Waldstück gleicht. Leute schlafen auf Grasflächen.

Eine historische Mauer zieht sich den Hügel hoch, auf welchem Spazierwege durch wunderbare Gartenanlagen locken. Man könnte auch mit einer Zahnradbahn hochfahren. Die Aussicht auf Prag und seine vielen Brücken ist fantastisch.

Leider kann der Veitsdom noch nicht besicht werden. Die Stadtspazierenden umgehen den Trubel auf der Karlsbrücke, um zum jüdischen Viertel zu gelangen.

Das lange Anstehen in der prallen Sonne vor der Kasse lohnt sich. Der Rundgang durch den jüdischen Friedhof, die verschiedenen Synagogen ist lehrreich und sehr aufwühlend. Im ersten Gebäude sind in verschiedenen Räumen in kleiner Schrift die Namen der Personen angegeben, welche von den Nazis aus dem Prager Ghetto auf die Reise in den sicheren Tod in einem Konzentrationslager getrieben wurden. Die Grabsteine auf dem uralten Friedhof stehen, hängen, liegen, stützen einander. Das Paar verharrt danach längere Zeit stumm sitzend.

Etliche verkleidete Männergruppen ziehen lärmend durch die Innerstadt. Scheinbar ist die tschechische Hauptstadt eine sehr gefragte Destination für verlängerte Polterabende von Männern aus Grossbritannien und Irland.

2016 haben über 7 Millionen Personen die goldene Stadt besucht. Mann und Frau haben zuweilen den Eindruck, dass wir Touristen etlichen Einheimischen fast lästig werden. Erstaunt vernehmen wir, dass der gesetzliche Mindestlohn pro Stunde unter 3 Euro liegt, obwohl die tschechische Wirtschaft absolut boomt.

Erneut steigen Frau und Mann nachmittags die Strassen zur Burg hoch. Ein sehr leckeres Essen in einem veganen Restaurant belohnt den Aufwand.

Auch Prag bewegt, berührt, lässt nicht kalt.

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