Lektüre “Das Ketzerweib” von Werner Ryser

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Anna Jacob ist jung, sechsfache Mutter, Bäuerin im Emmental des 17. Jahrhunderts und Gefangene der Gnädigen Herren von Bern, welche sie der Ketzerei beschuldigen.

Ihr Vergehen ist, dass sie zur Religionsgemeinschaft der Täufer gehört, welche sich zur Erwachsenentaufe bekennt, jeglichen Militärdienst und den Treueeid auf eine politische Führung verweigert.

Diese Glaubensgemeinschaft entstand in Zürich kurz nach der Reformation innerhalb der protestantischen Kirche und fand in den ländlichen Gebieten der Republik Bern regen Zuspruch und Anhänger/innen.

Dass einfache Bürger/innen für mehr Glaubensfreiheit und für Pazifismus einstanden, wollte die damalige kirchliche und weltliche Obrigkeit nicht tolerieren.
Die protestantischen Behörden reagierten mit brutalen Verfolgungen auf diese Herausforderung.
Zu Hunderten wurden Täufer/innen getötet, gefoltert, gebüsst, verbannt, zum Sklavendienst auf venezianischen Galeeren verurteilt.

Interessanterweise erlaubte das katholische Fürstenbischofstum von Basel Täuferfamilien, welche vor den Repressalien in ihren Heimatkantonen flüchteten, sich in seinem Herrschaftsgebiet anzusiedeln.
Im Gebiet der heutigen Freiberge durften die Protestanten ihren Glauben frei praktizieren. Gerne empfing die katholische Verwaltung im Gegenzug deren Steuerzahlungen.

Auf sorgfältiger Recherchearbeit aufbauend ruft Werner Ryser ein bewegendes Stück Schweizergeschichte in Erinnerung.
Der Autor vertieft am Beispiel von Anna Jacob Themen wie “eine Frau widersetzt sich” und “persönliche Überzeugungen erringen und vertreten” berührend und spannend.

Anna verliert zuerst ihren Mann, welcher seinem Glauben nicht abschwören kann.
Dann muss sie sich in der Haft klar werden, ob und wie sie im folgenden Verhör aussagen wird.
Sie weiss, jeder Entscheidung werden einschneidende Konsequenzen folgen!

Ich stelle mir bei der Lektüre mehr als einmal die unangenehme Frage “wie hätte ich an ihrer Stelle gehandelt?”

3. März 2021

2 Kommentare

  • Bravo Kussi! Sehr spannende Geschichte knapp zusammengefasst.
    Ich frage mich auf welcher Meereshöhe sich die Paar Unangepassten nach einem Ja zum Verhüllungsverbot ansiedeln dürfen.

  • Ja, interessant.Gerade gestern habe ich einer Klasse von den in den Freibergen angesiedelten Täufern erzählt.Sie mussten über 1000m siedeln,das war die Bedingung.Ich war letzte Woche in der Gegend wandern.